Möchtest du diese Rose haben? – Gedanken zu Feminismus und Sexismus

Heute mal ein Off-Topic Essay. Das erste auf diesem Blog. Einfach, weil die Gedanken raus müssen.

„Wir haben am Weltfrauentag eine Rose geschenkt bekommen, ist das nicht schön?“, habe ich erzählt. „Alle Klischees erfüllt“, war die Antwort. Ich war verwirrt. Hat die geschenkte Rose nicht die Frauen gefeiert, sondern sie klein gemacht? Im Sinne von: „Hier, eine Rose, ihr Weiber interessiert euch doch eh nur für Blumen, Busen und Banalitäten! Und schöne Grüße vom Bachelor, übrigens.“ War meine florale Freude mal wieder weibisch?

Gelebter Feminismus

 

Tatsächlich setze ich mich in letzter Zeit vermehrt mit dem Thema Feminismus auseinander. Was bedeutet dieses Wort eigentlich? Ich mag Mode und Beauty, möchte gut aussehen, koche und backe gern, trage gern Kleider, möchte eine fette Hochzeit, Kinder und einen tollen Ehemann. Darf ich trotzdem Feministin sein? Aber hallo! Denn Feminismus bedeutet nicht, Kartoffelsack zu tragen, sich die Haare abzuschneiden und Männer zu hassen. Feminismus bedeutet Freiheit, Chancengleichheit und Befreiung. Weiblichkeit inklusive.

 

Ein Leben in der gleichberechtigten Blase

 

Glücklicherweise fühlen sich die meisten meiner Freundinnen gerecht behandelt. Sie haben coole Jobs, gute Aufstiegschancen, sind stolze Singles oder stecken in gesunden Beziehungen. Sexismus spielt in ihrem Alltag keine große Rolle. Gut so! Und doch wird mir immer wieder bewusst, in was für einer Blase ich lebe. Ich habe den Großteil meiner Zeit mit modernen Männern und Frauen zu tun, die Gleichberechtigung leben. Das ist längst nicht überall der Fall. Manchmal wird es mir in kleinen Momenten bewusst. Es sind die ernst gemeinten, tief sitzenden Grundeinstellungen. Als ich neulich beim Italiener gezahlt habe und der Kellner überrascht sagte: „Oho, Emanzipation!“ Eine Frau, die zahlt, ist etwas Besonderes? Really?! Und dann gab es diese unfassbare Aussage von Janusz Korwin-Mikke im Europaparlament: „Natürlich müssen Frauen weniger verdienen als Männer“, sagte er, „denn Frauen sind schwächer, sie sind kleiner und sie sind weniger intelligent.“ So jemand darf im Europaparlament sprechen. So jemand ist Abgeordneter und vertritt ein Volk. Da läuft gewaltig etwas schief. Zum Glück sind auch zahlreiche Männer schockiert von solch einer unfassbaren, vorsintflutlichen und schlichtweg dummen Aussage. Korwin-Mikke hat sofort Gegenwind von der Sozialdemokratin Iratxe García Pérez bekommen – gut so. Übrigens hat der gleiche Herr schon mal mit einem Hitlergruß im Parlament für einen Skandal gesorgt.

#Aufschrei

 

Auch im Privatleben hat fast jede Frau schon Sexismus erlebt. Unter dem Hashtag #Aufschrei wurde das bereits in der breiten Öffentlichkeit diskutiert. Ich persönlich finde, dass es gar nicht die Sprüche sind, die sich Männer hinter vorgehaltener Hand zuraunen und ein bisschen dreckig lachen. (Außer bei einem US-Präsidenten. Er muss sich jeden dummen Locker Room Talk verkneifen. Er ist DER PRÄSIDENT DER VEREINIGTEN STAATEN, verdammt. Aber das nur am Rande.) Frauen reden doch auch manchmal über die Eigenarten der Männer, manchmal verallgemeinernd, manchmal verunglimpfend, immer grinsend. Und wir wissen, dass das nicht ernst gemeint ist. Es ist eine kleine Rebellion, ein kleines Zusammenhalten, ein sozialer Akt. Ich hatte in der Schulzeit beste Kumpels und kenne die Sprüche. Ich hab damit schon so manchen Mann schockiert. Das ist es nicht, was mich stört. Es ist die ernst gemeinte Missbilligung und Denunzierung von Frauen, die pures Gift für die Gesellschaft ist. Der Chef, der seiner Angestellten den Hintern tätschelt. Der Kollege, der die gleichen Aufgaben erledigt, ähnliche Erfahrungen mitbringt, gleich alt ist und trotzdem mehr Geld bekommt. Ich habe einmal erlebt, dass vom Chef persönlich ausgewählte(!) und „rein zufällig“ fast ausschließlich junge, blonde Kolleginnen und ich auf einer Firmenfeier in weißen T-Shirts(!) Karaoke singen sollten. Die Männer aus dem Team sollten nicht mit auf die Bühne. Wir haben uns geweigert. Ich habe dort schließlich gekündigt. Ich hatte keine Lust, Sexobjekt zu sein.

Medialer Sexismus

 

Eigentlich reicht ja auch schon ein Blick in die Medienlandschaft. Ich möchte regelmäßig mit dem Kopf auf die Tischplatte hauen. Wieso müssen Familien in der Werbung immer noch so aussehen, dass Papa arbeitet und Mama für die Kleinen sorgt? Wenn sich an der öffentlichen Wahrnehmung und der traditionellen Darstellung der Rollenbilder nichts ändert, werden in der realen Welt andere Lebensmodelle weiterhin kritisch beäugt. Liebe Marketing-Leiter, traut euch doch mal, etwas anders zu machen! Kreative, junge Werber haben Bock. Ihr müsst sie nur mal machen lassen. Sonst geht der Spirit auch bei ihnen irgendwann verloren.

Und leider tragen selbst die, die es besser wissen müssen, den Sexismus mit. Junge Redakteurinnen von gewissen Frauenmagazinen schreiben Artikel wie: „Wenn du das trägst, findet er dich unwiderstehlich!“ – „Mit diesen 10 Tricks verliebt er sich garantiert in dich“ – „Darauf stehen Männer beim Sex“ – Ähm, Moment mal, sind wir Frauen dafür da, Männern zu gefallen? Tragt, was ihr wollt! Schießt Männer ab, die sich nicht in euch verlieben! Und habt den Sex, der euch Spaß macht! Alles andere ist – um es mit den Worten des F Mags zu sagen – sexistische Kackscheiße.

Angenehm anders

 

Apropos F Mag. Das am Weltfrauentag erstmalig (und leider vorerst einmalig) erschienene F Mag bildet die Einstellung meiner Generation – zumindest so, wie ich sie empfinde – gut ab. Wir interessieren uns für Politik, lesen aber auch gern etwas über Beautyprodukte oder sexuelle Fantasien. Wir mögen Frittiertes, Mode und Wirtschaft. Nichts davon widerspricht sich und all das passt in ein Heft. Ich finde das super. Ich mag, dass nicht mit dem Holzhammer der Hass gegen Männer und die Lobhudelei der Frau eingeprügelt wird, sondern dass Feminismus Spaß macht. In anderen, radikaleren Magazinen hat man das Gefühl, dass man zumindest stark tätowiert sein, lilafarbene Haare haben oder eine Plus Size Bloggerin sein muss, um eine Feministin zu sein. Was natürlich Quatsch ist.

Sei, wer du willst. Mag, was du willst. Informiere dich, engagiere dich, sei wach und lebe dein Leben so, wie du willst. Wie Pippi Langstrumpf. Stark, lustig, unbeeindruckt von Autoritäten und überzeugt von den eigenen Fähigkeiten. Und lass dir Rosen schenken, verdammt. Ob zum Weltfrauentag oder sonstwann. Die Zelebrierung der Weiblichkeit zerstört nicht den Feminismus. Denn Frauen müssen keine Männer werden, um gleichberechtigt zu sein.

 

Bilder: unsplash.com, privat

 

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